Luther und die Freiheit

Luther und die Freiheit

Vortrag über Religionsfreiheit und religiöse Toleranz im Zeitalter der Reformation

Zu einem interessanten Vortrag über „Luther und die Freiheit – Religionsfreiheit und religiöse Toleranz im Zeitalter der Reformation“ von Prof. em. Anton Schindling (Universität Tübingen) hatten die Reinhold-Maier-Stiftung und die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Kooperation mit den Christlichen Liberalen nach Bad Cannstatt eingeladen.

Luther und die Freiheit – das ist bis heute auch und gerade für Liberale ein spannungsreiches Thema. Allzu gerne wird Luthers 1520 verfasste „Freiheitsschrift“ mit dem Titel „Von der Freyheit eines Christenmenschen“ als das Dokument christlicher – insbesondere protestantischer – Freiheit auf der Schwelle von Mittelalter zu Neuzeit verstanden und gelesen. Und in der Tat hatte die Schrift sehr schnell nach ihrem Erscheinen eine große und leider auch sehr blutige Breitenwirkung erzielt: insbesondere die in Leibeigenschaft lebenden Bauern verstanden sie als Aufforderung, sich gegen ihre Grundherren zu erheben. Folgen und Ergebnis dieses als „Bauernkrieg“ bezeichneten Ereignisses sind bekannt: die fürstlichen Grundherren schlugen die Bauernaufstände blutig nieder.

Die Schrift „Von der Freyheit eines Christenmenschen“ versteht allerdings unter „Freiheit“ nicht die individuell-politische Freiheit, sondern vielmehr die innere Freiheit eines Christenmenschen: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr und Niemanden untertan“. Diese Freiheit ist jedoch gebunden an die äußere Freiheit (der Bindung an den Fürsten): „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan“.

Der Vortrag von Prof. Anton Schindling entfaltete dann von dieser (dialektischen) Spannung des Freiheitsverständnisses Luthers ausgehend die durchaus als paradox zu bezeichnende weitere politische Entwicklung hin zu dem individuellen Recht der Religions- und Bekenntnisfreiheit, wie sie sich im Augsburger Religionsfrieden von 1555 und im Westfälischen Frieden von 1648 formulierte und heute ein wesentlicher Grundbestandteil der allgemeinen Menschenrechte und des Grundgesetzes ist.
„Liberal“ ist Luthers Verständnis von Freiheit mit Sicherheit in einem von der Aufklärung verstandenen Sinne (man denke etwa an Kants Rechtsphilosophie) nicht – seine Freiheitsschrift hat allerdings in der historisch-politischen Entwicklung seit der Reformation unser neuzeitlich-aufgeklärtes Freiheitsverständnis entscheidend mitgeprägt.
Ironie der Geschichte? Mag sein. Daraus zu lernen und das eigene Freiheitsverständnis immer wieder auch zu überprüfen und neu zu justieren – dazu bietet die Lektüre der „Freyheit eines Christenmenschen“ und die Auseinandersetzung mit ihr allemal Anlass und Gelegenheit.

Jörg Diehl
1. Vorsitzender