Pfingstbrief 2016

Pfingstbrief 2016

„Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen“,
Apostelgeschichte 2, 2-4.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder,
liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde,

Pfingsten, fünfzig Tage nach Ostern als Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes (und als „Geburtsstunde“ und „Geburtstag“ der Kirche) gefeiert, ist kein harmloses Fest. Folgt man der Darstellung der lukanischen Apostelgeschichte, so muss es damals richtig heftig zugegangen sein: ein heftiger Windsturm tobte und „Zungen aus Feuer“ schwebten über denen, die in Jerusalem versammelt waren. Es war übrigens eine sehr bunte und international gemischte Gesellschaft, die damals in Jerusalem Zeuge dieses Geschehens wurde. Folgt man dem Text der Apostelgeschichte, so dürften sie alle mehr oder weniger größere Verständigungsprobleme untereinander gehabt haben, da sie aus verschiedenen Teilen der damals bekannten Welt kamen und unterschiedliche Sprachen sie trennten.
Das alles erweckt den Eindruck eines gehörigen Durcheinanders, in dem zunächst viel Irritation, Bestürzung, Ratlosigkeit, Unsicherheit und wohl auch Angst vorherrschte: „Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem anderen: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll des süßen Weines“ (Apostelgeschichte 2, 12.13).

Das Pfingstwunder, wie das Geschehen damals in Jerusalem gemeinhin bezeichnet wird, erhält seine „wunderlichen“ Züge und sein Gepräge zunächst mit einer kraftvollen Bildersprache: ein brausender Wind tobt und feurige Zungen zeigen sich am Himmel. Das ist sozusagen die Ouvertüre zu dem eigentlichen Geschehen: der Ausgießung des Heiligen Geistes, dessen Empfang das eigentliche Wunder ist: eine Kraft und Macht, die es den Menschen damals ermöglichte, sich zu verstehen und sich zu verständigen – trotz der bestehenden sprachlichen Barrieren.

Pfingsten ist also nicht einfach nur ein Erinnerungsfest an die Osterereignisse (das macht die anschließende Predigt des Petrus deutlich), sondern es ist auch und besonders in der Sendung des Heiligen Geistes ein Ereignis, das die Geister unterscheiden lehrt und damit für geistige Klarheit und Orientierung sorgt in Zeiten, die von so manchen Unsicherheiten, Ungereimtheiten und Verwirrungen geprägt sind.
Ein Fest des Unterscheidens und der Neujustierung also. Ein Fest, das an den Menschen nicht spurlos vorbeigeht, wie der Bericht der Apostelgeschichte nahelegt: Wer vom Pfingstgeist erfasst und vielleicht sogar erfüllt wird, der kann nicht mehr schweigen zu den Geschehnissen, die ihm in seinem Alltag widerfahren. Wer von diesem Geist erfüllt wird (der übrigens nicht betrunken macht), der lernt die vielen Widergeister der Zeit (die Evangelien sprechen hier oft von „Dämonen“, die auszutreiben sind) zu benennen, sie zu unterscheiden und an ihre Stelle einen Geist zu setzen, der Leben und Zukunft schafft für alle, die sich von ihm ergreifen lassen.
Der „Geist von Pfingsten“, der Heilige Geist, ist – so dürfen wir der Apostelgeschichte entnehmen – bei Gott kein engstirniger, biederer oder gar spießiger Geselle, der sich ängstlich in seine Vierwände verkriecht: er ist ein Gottes- und Menschenfreund, der die Menschen aus ihrer Starre, ihren Ängsten und ihren Vorurteilen befreien will – um Gottes, der Menschen und beider Zukunft willen. Und: Pfingsten ist kein einmaliges, vergangenes Ereignis: Es ist ein Lernprogramm, das repetiert und eingeübt werden will. In allen unseren Lebensbereichen.

Ich wünsche Ihnen und Euch allen von Herzen, dass dieses Pfingstwunder uns allen – persönlich und familiär, in unserer beruflichen und politischen Arbeit – widerfahren möge; dass wir in unserer gegenwärtigen Zeit mit ihren gerade auch in gesellschaftlich-politischer Hinsicht sich stellenden Herausforderungen als liberale Christinnen und Christen klar und eindeutig die Geister unterscheiden lernen und uns von dem Geist Gottes, dem Heiligen Geist, tragen lassen.
Ich grüße Sie und Euch alle sehr herzlich

Ihr / Euer

Jörg Diehl
1. Vorsitzender